21. Kongress der SECEC in Brügge/ Belgien

Brügge ist mit etwa 117.000 Einwohnern die größte Stadt der Provinz Westflandern in Belgien. Als "Venedig des Nordens" hat es mit seinen vielen Kanälen und dem mittelalterlichen Stadtkern ein außergewöhnliches Flair, das bis heute seinen Charakter erhalten hat. Brügge wurde deshalb im Jahr 2000 zum Weltkulturerbe der UNESCO ernannt.

Der 21. Kongress der SECEC wurde vom 18.09.08 bis zum 20.09.08 im "Konzertgebouw" veranstaltet, einem modernen Konzertgebäude am Rande der Altstadt mit ausreichend Platz. Die Anreise war weniger kompliziert als gedacht und mit dem Flug nach Brüssel und der abwechslungsreichen Bahnfahrt durch Flandern kurzweilig.

Was hat sich organisatorisch getan? Im Vorfeld des Kongresses fanden die traditionellen Sitzungen aller Komitees der SECEC statt. Wichtige Änderungen, die jetzt wirksam wurden, betreffen die Mitgliedschaft, in der jetzt erstmals neben den "Ordinary Members" und den "Associate Members" auch "Junior Members" vorgesehen sind. 43 neue Mitglieder wurden in die Gesellschaft aufgenommen und die außergewöhnlichen Schulterchirurgen Hovelius aus Schweden und Randelli aus Italien zu Ehrenmitgliedern ernannt.

Ein sehr wichtiger Aspekt betrifft das "Journal of Shoulder and Elbow", das offizielle wissenschaftliche Organ der Gesellschaft. Das Gewicht Europas wird mit Frank Gohlke als Europäischem Editor gestärkt und in Zukunft wohl gleichberechtigt neben dem Amerikanischen Editor stehen. Der Umfang der Zeitschrift wird nochmals erhöht, sodass die Zeit zwischen der Annahme einer Veröffentlichung und ihrem Druck weiter verkürzt werden wird.

Von dem neugeschaffenen Programm-Komitee wurden aus den mehr als 500 Anmeldungen 106 Vorträge ausgewählt. Insgesamt wurden in zwei parallelen Sitzungen 135 Vorträge präsentiert, die alle Aspekte von Schulter und Ellenbogen betrafen. In den morgendlichen insgesamt neun "Instructional Courses" wurden Themen wie die Behandlung der fehlgeschlagenen Stabilisierung, der distalen Humerusfraktur, des Os acromiale und von Ganglien und Cysten um den N. suprascapularis behandelt.

Welche Vorträge sind mir besonders aufgefallen? Der Reigen ungewöhnlicher Präsentationen begann schon mit der Eröffnungsfeier, in der ein eingeladener "Gesundheitspolitischer Berater" der Europäischen Gemeinschaft die Teilnehmer mit der unangenehmen Nachricht quälte, dass in Zukunft die Ausgaben für die Schulter- und Ellenbogenchirurgie europaweit nivelliert und minimiert werden müssen. Dies sorgte zunächst für Entsetzen, bis sich zeigte, dass der Berater ein Schauspieler und der Vortrag vom Kongresspräsidenten Geert Declercq als gelungener Spaß gut vorbereitet war.

Das erste, von Christian Gerber organisierte Symposium beschäftigte sich mit dem subacromialen Impingement und der Frage, was davon heute zu halten ist. Rolf Norlin aus Schweden berichtete über erstaunlich gute Langzeitergebnisse der alleinigen Dekompression von isolierten Supraspinatus-Sehnenschäden. Wesentlich scheint für diese minimale operative Therapie die Auswahl von Patienten, bei denen die Hängebrücken-Konstruktion nach Burkhart vollständig intakt ist, weshalb keine Tendenz zu einem Höhertreten des Humeruskopfes besteht.

Für mich sehr interessant war der Vortrag aus der Arbeitsgruppe von Herbert Resch über die Cytotoxizität von Lokalanästhetika auf Prekursor-Zellen der Supraspinatussehne in vitro. Daraus ergeben sich Bedenken, ob nicht Lokalanästhetika bei länger dauernder Anwendung die Heilung der Rotatorenmanschette ungünstig beeinflussen.

Viele Vorträge beschäftigten sich mit dem Thema der arthroskopischen "double" versus "single row" Rekonstruktion der Rotatorenmanschette. Die Tendenz geht wohl in Richtung "double row", ohne dass ein endgültiges Urteil zu fällen wäre.

Das Symposium am zweiten Kongresstag wurde von Alex Castagna präsentiert und beschäftigte sich mit dem Problem des Knorpelschadens beim jungen Patienten. Sehr eindrucksvoll war der Einführungsvortrag von Peretti aus Italien, der die Grundlagen der Knorpelbiologie meisterlich zusammenfasste.

Weitere Schwerpunkte der Vorträge waren die anatomische und inverse Prothetik der Schulter. Bei den inversen Prothesen wird diskutiert, ob bei fehlendem Teres minor der gleichzeitige Latissimus-Transfer die Außenrotation entscheidend verbessern kann. Bei den anatomischen Prothesen sind das zementfreie Glenoid und die Verwendung der Navigation aktuelle Fragen.

Am letzten Kongresstag hatten traditionell die Fellows Gelegenheit ihre wissenschaftlichen Reisen vorzustellen. Die Kollegen Lubiatovski aus Polen und Markus Scheibel aus Berlin, der auch den Posterpreis gewann, berichteten von dem European Fellowship, Nicole Pouliart und Raffaele Garofalo aus Italien über die außerordentlich interessanten und für Europäer ungewöhnlichen Erfahrungen in Japan.

Erstmals eingeladen waren die auch die Physiotherapeuten. Jan Nowak aus Schweden hat sich dafür eingesetzt, eine "Europäische Schulter- und Ellenbogen-Rehabilitations-Gesellschaft" zu gründen (EUSSER.ORG), die in Zukunft versuchen wird, die Spezialisierung auch auf diesem Gebiet zu fördern.

Der Kongress war von Geert Declercq und seinen belgischen Kollegen sehr gut organisiert. Mit mehr als 750 vorangemeldeten Teilnehmern und 220 zusätzlichen Anmeldungen am Kongress selbst war es der bislang größte Kongress der SECEC und damit ein voller Erfolg. Mit dem Kongress endet die sehr erfolgreiche Präsidentschaft von Peter Habermeyer, dem unser Dank gebührt, dass er neben der vielen organisatorischen und strukturellen Arbeit auch sehr diplomatisch die deutschen Interessen in der SECEC förderte. Der neue Präsident Jaap Willems aus den Niederlanden hat bereits zu erkennen gegeben, welche neuen Ziele er anstrebt.
Das nächste Treffen wird im Jahr 2009 in Madrid stattfinden. Alle Mitglieder der DVSE sind herzlich eingeladen, Vorträge anzumelden, den Kongress zu besuchen und Mitglied der SECEC zu werden.

 Ernst Wiedemann, München

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