Studie über den Wissensstand von Medizinstudenten im Bereich„Schulter“ vor dem Praktischen Jahr

J. Hodel | Mannheim,
J. Schmalzl, Würzburg, K. Hoffmann | Erlangen
K. Stahnke, Berlin, A. Thierbach | Bochum,
L. Boutakmant, Bochum, N. Kraus | Berlin


Wallis-Test. Die Unterschiede zwischen den Summen der jeweiligen Fragenkomplexe wurden mit Hilfe des Wilcoxon- Rangsummentests untersucht.

Einleitung

Als das beweglichste Gelenk unseres Bewegungsapparates nimmt das Schultergelenk im Fachbereich Orthopädie/Unfallchirurgie eine Sonderstellung ein. In den letzten Jahren zeigte sich eine kontinuierliche Zunahme der klinischen Relevanz schulterspezifischer Defekte. Spätestens im chirurgischen Tertial des praktischen Jahres sollte jeder Student auf die Konfrontation mit einem solchen Patienten vorbereitet sein. Da jedoch die einzenen Studienfächer an den verschiedenen Universitäten unterschiedlich gewichtet werden, stellt sich die Frage inwieweit die Medizinstudenten in Deutschland für eine solche Situation gewappnet sind.

Ziel dieser Studie war es daher, den Wissensstand von Medizinstudenten vor dem PJ im Bereich Schulterchirurgie zu ermitteln.

Material und Methoden

Es wurde eine Multicenterstudie an fünf verschiedenen Universitäten in Deutschland durchgeführt. Die Erhebung der Daten erfolgte anhand eines Fragebogens. Dieser beinhaltete 27 Multiple Choice Fragen. Davon wurden zu den Themengebieten Anatomie, Krankheitsbildern, Behandlung, Klinik sowie Diagnostik. jeweils fünf Fragen gestellt. Ein Beispiel aus dem Bereich Krankheitsbilder: „Wo tritt eine Rotatorenmanschettenruptur am häufigsten auf?“

Es standen 5 mögliche Antworten für jede Frage zur Auswahl. Dazu wurde jeweils zusätzlich bei jeder Frage einzeln angegeben, ob sich die Studenten bei der Beantwortung sicher waren, nur „ein Bauchgefühl“ hatten oder ob sie ledig lich geraten haben. Hinzu kamen noch 2 Compliance-Fragen, ohne deren korrekte Beantwortung der jeweilige Fragebogen aus der Wertung genommen wurde. Für die Bearbeitung stand den Teilnehmern ein Zeitraum von 30 min zur Verfügung. Um den Hilfsmitteleinsatz dabei auszuschließen, erfolgte dies unter Beaufsichtigung.

Bei den Studienteilnehmern handelt es sich um Medizinstudenten, die sich zum Zeitpunkt der Befragung kurz vor dem Eintritt in das Praktische Jahr befanden. Somit hatten alle Studenten die klinische Ausbildung abgeschlossen und einmalig den Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie durchlaufen. Erfasst wurden insgesamt Studenten aus 5 Universitäten in Deutschland. Von diesen studieren 22 in Würzburg, 25 in Bochum, 23 in Mannheim, 30 in Erlangen und 26 in Berlin.

Alle erhobenen Daten wurden in einer Excel-Tab. (Fa. Microsoft) gespeichert und mittels der Software SPSS-Statistics Version 19.0 (Fa. IBM, Ehningen) ausgewertet. Die Analyse der Unterschiede zwischen den Ergebnissen der einzelnen Hochschulen untereinander erfolgte mittels Kruskal-Wallis-Test. Die Unterschiede zwischen den Summen der jeweiligen Fragenkomplexte wurden mit Hilfe des Wilcoxon-Rangsummentests untersucht.

Ergebnisse

Im Gesamtkollektiv wurden im Durchschnitt 15,08/25 (63,2 %) Fragen richtig beantwortet. Die Verteilung der richtigen Fra  gen ist in Abbildung 1 dargestellt. Teilt man die Fragen in die einzelnen Unterkategorien ein, ergaben sich durchschnittlich folgende Werte für korrekt beantwortete Fragen: Anatomie 3,21/5, Krankheitsbilder 2,66/5, Klinik 2,47/5, Diagnostik 3,03/5, Therapie 2,79/5. Die kompletten Ergebnisse sind in > Tab. 1 zusammengefasst.

Hinsichtlich der Selbsteinschätzung der Studenten konnte man feststellen, dass sich wenig Befragte bei ihrer Antwort „sicher“ waren. Eine Ausnahme zeigte sich an Frage14 „Welche ist keine typische Begleitverletzung einer Schultergelenksluxation?“, bei der 66,1 % der Befragten „sicher“ als Antwort angaben. Am häufigsten gaben die Studenten ein  „Bauchgefühl“ an, was häufig mit einer hohen Prozentzahl an richtig beantworteten Fragen einherging. Zum Beispiel beantworteten 47,2 % der Studenten mit einem „Bauchgefühl“ die Frage:
„Eine Bewegungseinschränkung im Schultergelenk ist nicht typisch für:
a) Frozen Shoulder
b) Omarthrose
c) RM-Läsion
d) Multidirektionale Instabilität
e) Humeruskopffraktur“
richtig, während lediglich 12,8 % der Studenten mit einem „Bauch­ gefühl“ dieselbe Frage falsch kreuzten.

Betrachtet man isoliert die Antwortmöglichkeit „rate“ zeigte sich, dass die Studenten bei dieser Selbsteinschätzung die meisten Fragen tatsächlich falsch beantworteten.
Beispielsfrage: „Kreuzen Sie die Falschaussage an. Eine Scapula ala ta…“
a)… wird auch als „Engelsflügel“ bezeichnet
b) …entsteht u. a. bei einer Schädigung des N. thoracicus longus
c) … führt zu einer Kraftminderung im Schultergelenk
d) …sollte operativ versorgt werden
e)… kann nach einer Ablatio Mammae auftreten“.
Hier beantworteten 34 von 43 Studenten, die „geraten“ haben diese Frage falsch.

Alle Ergebnisse der Fragen im Verglich der einzelnen Hochschule sind in . Tab. 2 dargestellt. Die Ergebnisse der einzelnen Hochschulen unterscheiden sich deutlich sie sind statistisch jedoch nicht signifikant unterschiedlich (p> 0,05).

Diskussion

Aus der Normalverteilung der Anzahl und Häufigkeit der richtig beantworteten Fragen, lässt sich schließen, dass der Schweregrad der ausgewählten Fragen angemessen ist und die zufällig ausgewählten Studenten eine repräsentatives Kollektiv sind.

 

Die Ergebnisse der einzelnen Hochschulen unterscheiden sich deutlich, wobei die Spanne von im Durchschnitt
67,4 % richtig beantworteter Fragen an der Universität Würzburg bis hin zu 54,4 % an der Universität Bochum reicht.

Am deutlichsten wird dieser Unterschied jedoch in den einzelnen Unterkategorien. Insbesondere in den praktischen Bereichen Klinik und Diagnostik geht die Gabel weit auseinander. In den letzten Jahren wurde unter anderem durch reformierte Studiengänge deutschlandweit versucht vor allem im klinischen Teil des Studiums mehr Wert auf die praktischen Bereiche zu legen und den Transfer theoretischer Lerninhalte in die Praxis zu fördern. In den durch unsere Studie untersuchten Bereichen kann diesbezüglich noch nicht von einem Erfolg gesprochen werde. Wir nehmen an, dass das Engagement und die Lernfähigkeit der Studenten in Deutschland im Durchschnitt ausgewogen sind und sehen den Unterschied des erreichten Punktestands vor allem im Engagement der einzelnen Lehrkraft an den verschiedenen Universitäten. Natürlich ist der Fachbereich Orthopädie und speziell die Klinik und Therapie  des Schultergelenks nur ein sehr kleiner Bereich der Lehre an den Universitäten und somit lässt sich kein Rückschluss auf die Qualität und das Engagement der einzelnen Fakultäten schließen.
Die Selbsteinschätzung der Studenten zeigte, dass sich viele Studenten bei der Beantwortung der Fragen nicht sicher waren und insgesamt am häufigsten „Bauchgefühl“ angekreuzt wurde. Wurde die Frage richtig beantwortete wurde meistens Bauchgefühl angekreuzt, wurde die Frage falsch ]beantwortet wurde meist „geraten“ angekreuzt. Es scheint, als besitzen die Studenten ein Wissen, dessen sie sich zum derzeitigen Stand ihrer Ausbildung noch nicht sicher bewusst sind. Interessant wäre es zu überprüfen, ob sich diese Tatsache nach durchlaufen des Praktischen Jahrs ändert und sich die theoretische Ahnung nach der praktischen Wiederholung somit festigt. Darüber kann unsere Studie jedoch keine Auskunft geben.

In der heutigen Zeit wird immer wieder über Multi Center Studien, 1 A Evidenz Niveaus und den hohen Stellenwert des wissenschaftlichen Arbeitens diskutiert. Daher war eine weitere Intention unsere Studie zu überprüfen, ob es schon im Rahmen unserer Ausbildung möglich ist eine kleine Multi Center Studie durch zu führen, in der die Kommunikation untereinander und auch das selbstständige Arbeiten der einzelnen Beteiligten gezeigt werden muss. Es war uns wichtig eine wissenschaftlich saubere Studie, von der Entwicklung der Idee über das Erstellen eines Fragebogens bis hin zu einen statistisch sauberen Auswertung, durchzuführen. Dies ist uns unserer Meinung nach gelungen.

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